Vereinbarung Libyen – Schweiz

  • Medienmitteilung


Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) ist erfreut, dass Max Göldi, der letzte
noch in Libyen festgehaltene Schweizer, in die Schweiz zurückkehren konnte. Anlässlich ihrer Plenarversammlung vom 19. März 2010 hatte die KdK auf Antrag des Kantons Genf die ursprünglich zur Beilegung des Konflikts unterzeichnete Vereinbarung mit Libyen vom 20. August 2009 untersucht. Aufgrund des erneut abgegebenen Versprechens des Bundes, die Umstände der Verhaftung von Hannibal Ghadhafi in Genf durch ein internationales Schiedsgericht untersuchen zu lassen, sieht sich die KdK zur Veröffentlichung ihrer Schlussfolgerungen veranlasst. Nach Ansicht der Kantonsregierungen hat der Bund in dieser Angelegenheit die verfassungsmässigen Mitwirkungsrechte des Kantons Genf verletzt. Die Vereinbarung greift zudem in die Kompetenzen des Kantons Genf ein und widerspricht der verfassungsmässigen Gewaltenteilung. Die Frage des Verhältnissesder aussenpolitischen Kompetenzen des Bundes zur innerstaatlichen Kompetenzordnung ist folglich vertieft zu diskutieren.

Die Kantonsregierungen begrüssen und würdigen die Bemühungen des Bundesrates zur Freilassung des letzten noch in Libyen festgehaltenen Schweizers. Gestützt auf die ihnen vorliegenden Erkenntnisse vertreten die Kantonsregierungen jedoch die Auffassung, dass diese Angelegenheit grundsätzliche Fragen zum bundesstaatlichen Zusammenwirken zwischen Bund und Kantonen im Bereich der Aussenpolitik und zur Gewaltentrennung zwischen exekutiven und judikativen Behörden aufwirft.

Auf Ersuchen der Regierung des Kantons Genf befasste sich die KdK in den vergangenen Monaten mit der Vereinbarung Libyen – Schweiz, die am 20. August 2009 in Tripolis unterzeichnet wurde. Gestützt auf eine erste rechtliche Würdigung durch das Institut für Föderalismus in Freiburg haben die Kantonsregierungen anlässlich der Plenarversammlung der KdK eine politische Beurteilung der Vereinbarung vorgenommen. Diese Beurteilung wurde dem Bundesrat daraufhin zur Kenntnis gebracht.

Anlässlich der heutigen Plenarversammlung der KdK haben die Kantonsregierungen zur Kenntnis genommen, dass der Bund seine Verpflichtung erneuert hat, die Umstände der Verhaftung von Hannibal Ghadhafi in Genf durch ein internationales Schiedsgericht untersuchen zu lassen. Die Kantonsregierungen haben daraufhin beschlossen, ihre Beurteilung der Angelegenheit zu veröffentlichen.

Verletzung der Mitwirkungsrechte des Kantons Genf

Die Kantonsregierungen stellen fest, dass der Kanton Genf seitens des Bundes im Zusammenhang mit den Vereinbarungen vom 20. August 2009, vom 14. Mai 2010 und vom 13. Juni 2010 weder informiert noch konsultiert wurde. Nach Auffassung der Kantonsregierungen stellt das Vorgehen des Bundesrates im Zusammenhang mit der Unterzeichnung dieser Vereinbarungen eine eindeutige Verletzung der Mitwirkungsrechte des Kantons Genf im Sinne von Art. 55 der Bundesverfassung dar.

Konflikt zwischen aussenpolitischen Kompetenzen des Bundesrates und innerstaatlicher Kompetenzordnung

Die Kantonsregierungen stellen zudem fest, dass die Vereinbarungen einen Eingriff in die Polizei- und Justizhoheit des Kantons Genf sowie in das Prinzip der Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Judikative darstellen. Für die Kantonsregierungen ist die Frage zu klären, ob die aussenpolitische Kompetenz des Bundesrates in der geltenden Bundesverfassung grenzenlos ist und falls nein, wie diese Grenzen besser definiert und durchgesetzt werden können. Zur Klärung dieser Frage hat die Plenarversammlung der KdK weitere Vertiefungsarbeiten in Auftrag gegeben.

Kontakt / Rückfragen

Staatsrat Pascal Broulis
Präsident KdK
Tel. 079 435 01 78

Dr. Sandra Maissen
Generalsekretärin KdK
Tel. 031 320 30 00

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