Die Europapolitik ist seit der Gründung der Konferenz 1993 ein zentrales Geschäft der KdK. Die Kantone sind sehr direkt von europapolitischen Entscheidungen des Bundesrates betroffen. Zahlreiche Dossiers betreffen ihre Zuständigkeiten. Die Europäische Union (EU) ist direkte Nachbarin und wichtigste Handelspartnerin der Schweiz. Für die Kantone als wichtige Akteure im Energie- und Gesundheitsbereich, aber auch als Bildungs- und Forschungszentren ist eine reibungslose Zusammenarbeit mit der EU unverzichtbar.

Die Kantone erleben die Auswirkungen einer Erosion der Beziehungen mit der Europäischen Union sehr direkt. Für die Kantonsregierungen müssen diese Beziehungen deshalb auf einem soliden Fundament beruhen, das ein langfristiges und stabiles Verhältnis sichert. Die Kantone beteiligen sich deshalb intensiv und konstruktiv an der Suche nach geeigneten Lösungen und deren Umsetzung. Die Kantonsregierungen unterstützen das 2024 mit der EU ausgehandelte Abkommenspaket. 

Die Kantone spielen als Bindeglied zwischen Bund und Bevölkerung eine wichtige Rolle. Artikel 55 der Bundesverfassung sichert den Kantonen aussenpolitische Mitwirkungsrechte zu. Unter anderem werden sie in internationale Verhandlungen eingebunden. Seit 2012 widmet sich ein permanentes Leitorgan (Europadialog) dem Informationsaustausch mit dem Bundesrat. Es vereinigt die Vorsteherinnen und Vorsteher des Eidgenössischen Departementes für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und des Eidgenössischen Departementes für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) sowie eine von der Präsidentin oder vom Präsidenten der KdK angeführte Delegation der KdK. 

Die Europakommission der KdK – ein konsultatives Gremium aus Vertreterinnen und Vertretern der Kantonsregierungen – sorgt zudem für eine enge Begleitung der Europapolitik auf Kantonsebene und bietet den Kantonen Unterstützung an.

Kantonsunterstützung für das mit der EU ausgehandelte Abkommenspaket

2024 hat der Bundesrat mit der EU ein Abkommenspaket ausgehandelt, das die bilateralen Beziehungen stabilisieren und weiterentwickeln soll und auch die institutionellen Fragen (Rechtsübernahme, Streitbeilegung, staatliche Beihilfen) regelt. Die Kantone wurden vom Bund in die Verhandlungen einbezogen und beteiligten sich auch an der Ausarbeitung zu den innerstaatlichen Umsetzungs- und flankierenden Massnahmen.

Das gesamte Paket wurde am 13. Juni 2025 in die Vernehmlassung gegeben. Nach eingehender Prüfung nahmen die Kantonsregierungen am 24. Oktober 2025 Stellung. Sie begrüssen das erzielte Verhandlungsergebnis. Sie stellen fest, dass die Abkommen und ihre Umsetzung in der Schweiz den Erwartungen und Rahmenbedingungen entsprechen, die die Kantone in ihrer Standortsbestimmung vom 24. März 2023 und in ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom 2. Februar 2024 zum Verhandlungsmandat formuliert haben.

Die Kantone erwarten vom Bund Unterstützung bei der Erfüllung bestimmter Aufgaben und unterbreiten eine Reihe von Vorschlägen zur Optimierung der Umsetzung der Abkommen. In diesem Zusammenhang betonen die Kantonsregierungen, wie wichtig es ist, in die verschiedenen Prozesse der Aussen- und Innenpolitik einbezogen zu werden, insbesondere im Vorfeld von Entscheidungen, die ihre Zuständigkeitsbereiche und wesentlichen Interessen betreffen. Diese Beteiligung muss verstärkt und dauerhaft gewährleistet werden. Die Kantone haben ihre Erwartungen formuliert, die den bereits in der Vergangenheit geäusserten Wünschen entsprechen.

Regelmässige Standortbestimmungen

In einer Standortbestimmung ziehen die Kantonsregierungen regelmässig Bilanz über die Europapolitik. Die letzte Standortbestimmung wurde an der Plenarversammlung am 24. März 2023 verabschiedet. Sie knüpft an den Positionsbezug der Kantonsregierungen vom 29. März 2019 an.

Die vorhergehende Standortbestimmung der KdK datiert vom 25. Juni 2010. Die Kantonsregierungen hatten sich damals für die Fortführung des bilateralen Weges ausgesprochen, gleichzeitig aber die Realisierung innerstaatlicher Reformen und insbesondere die Festigung des Mitwirkungsföderalismus gefordert. Die beiden ersten Standortbestimmungen wurden 2007 und 2004 erstellt.

Dokumentation

Innerstaatliche Reformen

Bereits in ihren Standortbestimmungen vom 25. Juni 2010 und 24. Juni 2011 hielten die Kantonsregierungen fest, dass eine Zustimmung zu einer weiteren Vertiefung der Beziehungen zur EU bedingt, dass gleichzeitig eine Reihe von innerstaatlichen Reformen realisiert wird. An der Plenarversammlung vom 13. Dezember 2013 konkretisierten die Kantone ihre diesbezüglichen Vorstellungen. Gefordert wurde eine Konsolidierung ihrer Mitwirkung an der Aussenpolitik durch eine Stärkung der Informations- und Mitwirkungsrechte, eine bessere Berücksichtigung ihrer Ansichten und eine engere Koordinierung mit dem Bundesrat und dem Parlament. 

Das neue Abkommenspaket mit der EU enthält institutionelle Elemente, die auch die Kantone betreffen: dynamische Rechtsübernahme, Schiedsverfahren, Mitarbeit in gemischten Ausschüssen, Mitwirkung bei der Ausarbeitung von Rechtsakten und Stellungnahmen in Vorabentscheidungsverfahren des Gerichtshofs der EU. Die von den Kantonen gewünschten innerstaatlichen Reformen zur Stärkung der Mitwirkung in der Europapolitik bleiben daher weiterhin aktuell. Der Bund hat den diesbezüglichen Handlungsbedarf erkannt.

Zusammenarbeit Kantone-EU: das Beispiel EUSALP 2023

Die Kantone wirken aktiv an der Aussen- und Europapolitik des Bundes mit. Die engen Beziehungen zu den Nachbarländern und Grenzregionen bieten einen privilegierten Raum für die Zusammenarbeit. So übernahm die Schweiz 2023 als erstes Nicht-EU-Land den Vorsitz der Makroregionalen Strategie der Europäischen Union für den Alpenraum (EUSALP).

Die Kantone, die diese Aufgabe gemeinsam mit dem Bund wahrnahmen, konnten damit ein Zeichen setzen für die Bedeutung grenzüberschreitender Beziehungen in Europa und die Zusammenarbeit im Alpenraum. In den verschiedenen Sprachregionen wurden Konferenzen durchgeführt. Am 31. März fand in Freiburg die Auftaktkonferenz «Kreislaufwirtschaft» statt. An der zweiten Konferenz am 16.Juni in Scuol (GR) stand das Thema Wasserversorgung im Fokus. Mit dieser Frage befasste sich am 8. September in Lausanne auch eine Delegation des Jugendrates der EUSALP.

Am 1. September fand in Lugano (TI) eine Konferenz über die nachhaltige Mobilität statt. Anlässlich des Jahresforums und der Generalversammlung der EUSALP am 19. Oktober in Bad Ragaz (SG) zogen die Gastkantone der verschiedenen Konferenzen Bilanz. Mit der Verabschiedung einer gemeinsamen Deklaration wurde der Grundstein für die Überarbeitung des Aktionsplans und der Strategie der EUSALP gelegt und die Stärkung der Governance verankert.

Die EUSALP hat zum Ziel, die Zusammenarbeit zu stärken und gemeinsame Ziele zu definieren. Die Schweiz beteiligte sich von Beginn weg an der Strategie. Sechs weitere Länder (Deutschland, Frankreich, Italien, Liechtenstein, Österreich und Slowenien) sowie 48 Regionen, darunter alle Kantone, arbeiten im Rahmen der EUSALP zusammen.

Bilaterale Abkommen

Die Schweiz und die Europäische Union haben eine Reihe von bilateralen Abkommen abgeschlossen, von denen einige die Zuständigkeiten der Kantone berühren. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten präsentiert die bilateralen Abkommen im Detail. Nachdem die Schweizer Stimmbevölkerung 1992 den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum abgelehnt hatte, wurden zwei «Pakete» von bilateralen Abkommen abgeschlossen.

Die bilateralen Abkommen I, in deren Ausarbeitung die Kantone eingebunden waren, traten am 1. Juni 2002 in Kraft. Sie umfassen die folgenden sieben Abkommen: Personenfreizügigkeit, technische Handelshemmnisse, öffentliches Beschaffungswesen, Landwirtschaft, Landverkehr, Luftverkehr und Forschung. Diese Abkommen sind aufgrund der so genannten «Guillotine-Klausel» miteinander verknüpft. Wird eines der Abkommen durch einen Vertragspartner gekündigt, treten die anderen Abkommen automatisch ausser Kraft.

Das zweite Paket umfasst neun Abkommen: Schengen/Dublin, automatischer Informationsaustausch (ehemaliges Zinsbesteuerungsabkommen), Betrugsbekämpfung, landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte, Umwelt, Statistik, MEDIA, Ruhegehälter und Bildung, Berufsbildung, Jugend. Die bilateralen Abkommen II sind nicht mit einer «Guillotine-Klausel» verknüpft. Dennoch verfolgte die Schweiz in den Verhandlungen, die im Juni 2002 aufgenommen wurden und im Mai 2004 abgeschlossen werden konnten, das Prinzip des Parallelismus, um ein ausgewogenes Gesamtergebnis zur erzielen.

Zwei der Abkommen, welche die Kompetenzen der Kantone tangieren, verzeichneten wichtige Entwicklungen: das Personenfreizügigkeitsabkommen und Schengen/Dublin.

Personenfreizügigkeit

Durch das Abkommen über den freien Personenverkehr (Freizügigkeitsabkommen) erhalten Staatsangehörige der Schweiz bzw. der Mitgliedstaaten der Europäischen Union das Recht, den Arbeitsplatz und den Aufenthaltsort innerhalb der Vertragsstaaten frei zu wählen. Die gegenseitige Öffnung erfolgte schrittweise und wurde bei jeder EU-Erweiterung kontrolliert ausgedehnt. Während bestimmter Übergangsfristen konnte die Schweiz die Zuwanderung einschränken. Flankierende Massnahmen schützen die Arbeitnehmenden vor Lohn- und Sozialdumping. Den Kantonen kommt bei der Umsetzung und Kontrolle dieser Massnahmen eine wichtige Rolle zu.

Die Kantone haben das Personenfreizügigkeitsabkommen wiederholt verteidigt, als es durch Volksinitiativen wie die «Masseneinwanderungsinitiative» 2014, die Initiative «Für eine massvolle Zuwanderung» 2020 oder die «Nachhaltigkeitsinitiative» in Frage gestellt wurde. 

Schengen/Dublin

Das Assoziierungsabkommen von Schengen und Dublin regelt die Teilnahme der Schweiz an der europäischen Sicherheits- und Asylzusammenarbeit. Mit Schengen profitiert die Schweiz von der Aufhebung der Personenkontrollen an den Grenzen zwischen den Vertragsstaaten. Die Schweiz und die Kantone profitieren zudem von den Massnahmen, welche die Sicherheitslücken der wegfallenden Grenzkontrollen kompensieren: Verstärkte Überwachung an den Schengen-Aussengrenzen, vertiefte Zusammenarbeit der Polizei- (u.a. Schengener Informationssystem (SIS)) und Justizbehörden sowie beim Datenschutz. Aufgrund der ständigen Weiterentwicklung der europäischen Regelungen muss auch die Schweiz ihre Gesetzgebung laufend anpassen.

Wichtige Weiterentwicklungen sind insbesondere im Bereich der Inneren Sicherheit zu verzeichnen. So etwa die Einführung eines Europäischen Reiseinformations- und genehmigungssystems (ETIAS), wonach Reisende aus nicht EU/EFTA-Staaten, die kein Visum für den Schengen-Raum benötigen, künftig vorab Reisegenehmigungen beantragen müssen, die automatisch mit verschiedenen Fahndungs- und Migrationsdatenbanken (u.a. Schengener Informationssysteme) abgeglichen werden. Die Stärkung der Inneren Sicherheit verfolgt auch die Modernisierung des Schengener Informationssystems (SIS II; gezieltere Fahndung nach Terrorverdächtigen; Schutz gefährdeter Minderjähriger und Erwachsener) sowie die automatisierte Vernetzung der verschiedenen Informationssysteme in den Bereichen Grenze, Migration und Polizei (Interoperabilität IOP, SIS, VIS, Eurodac, EES und ETIAS). Mit der Gründung der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) werden zudem die Bereiche der Aussengrenzkontrolle, der Rückkehr und der Zusammenarbeit mit Drittstaaten gestärkt. Frontex wird dazu neu mit dem Betrieb des Europäischen Bildspeicherungssystems «False and authentic Documents Online» (FADO; Gefälschte und echte Dokumente online) betraut, die den schnellen elektronischen Austausch und die Validierung echter und gefälschter Dokumente erleichtert. Am 25. März 2022 haben sich die Kantonsregierungen für die Stärkung von Frontex ausgesprochen.

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